Verfassungswidrigkeit der Höhe von Nachzahlungszinsen

Seit Jahren ist streitig, ob die pauschalen Nachzahlungszinsen i.H.v. 6%, die auf Steuernachforderungen erhoben werden, beim derzeitig niedrigen Zinsniveau mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Mehrfach berichteten wir hierüber (vgl. zuletzt Mandanten-Infobrief vom 01.03.2018, Punkt 10).

BFH hat verfassungsrechtliche Zweifel!

Nun hat auch der BFH in einem Verfahren zum vorläufigen Rechtsschutz schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinshöhe zum Ausdruck gebracht. Er gewährte den Antragstellern daher Aussetzung der Vollziehung, so dass die strittigen Zinsen bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorerst nicht zu zahlen sind. Betroffen sind sämtliche in der Abgabenordnung vorgesehene Zinsen für Verzinsungszeiträume ab dem 01.04.2015 (d.h. z.B. Nachzahlungszinsen, Stundungszinsen, Hinterziehungszinsen und Aussetzungszinsen).

Nach Auffassung des BFH begegnet die Zinshöhe durch ihre realitätsferne Bemessung im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz und das Übermaßverbot schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Zweifeln. Der gesetzlich festgelegte Zinssatz überschreite angesichts einer zu dieser Zeit bereits eingetretenen strukturellen und nachhaltigen Verfestigung des niedrigen Marktzinsniveaus den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität in erheblichem Maße.

Dem könne nicht entgegen gehalten werden, dass bei Kreditkartenkrediten für private Haushalte Zinssätze von rund 14 Prozent oder bei Girokontenüberziehungen Zinssätze von rund 9 Prozent anfallen würden. Hierbei handele es sich um Sonderfaktoren, die nicht als Referenzwerte für ein realitätsgerechtes Leitbild geeignet seien und damit einem typisierten Zinssatz nicht zu Grunde gelegt werden dürften.

Reaktion der Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung hat auf den BFH-Beschluss bereits reagiert. Sie hat die Finanzämter angewiesen auf Antrag der Betroffenen in allen Fällen, in denen Einspruch gegen die Zinsfestsetzung eingelegt wird bzw. wurde, ebenfalls Aussetzung der Vollziehung zu gewähren. Voraussetzung ist jedoch, dass die Zinsfestsetzung Zeiträume ab 01.04.2015 betrifft.