Wegzug in die Schweiz steuerlich bald mit weniger Hürden?

Die Wegzugsbesteuerung

Besitzt eine in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person Anteile an in- oder ausländischen Kapitalgesellschaften, so unterliegen etwaige Veräußerungsgewinne der Besteuerung. Dies gilt unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. Mindestbeteiligungsquote von 1% innerhalb der letzten fünf Jahre) auch, wenn sich die Anteile im Privatvermögen befinden.

Durch den Wegzug in einen anderen Staat kann die unbeschränkte Steuerpflicht der natürlichen Person aber enden. Dadurch kann u.U. wiederum deutsches Besteuerungsrecht an etwaigen Veräußerungsgewinnen der Kapitalgesellschaftsanteile im Privatvermögen verloren gehen.

Um dies zu verhindern, schuf der Gesetzgeber bereits in den 1970er Jahren die sog. „Wegzugsbesteuerung“. Seitdem wird in diesen Fällen bei natürlichen Personen, die insgesamt mindestens zehn Jahre unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland waren und deren unbeschränkte Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts endet, im Zeitpunkt des Wegzugs eine Veräußerung der Kapitalgesellschaftsanteile fingiert. Somit kann der Wegzug eine nicht unerhebliche Steuerbelastung auslösen.

Hinweis:

Neben dem Wegzug existieren noch weitere Ersatztatbestände, die ebenfalls eine Besteuerung nach sich ziehen können. Beispielsweise ist die unentgeltliche Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen auf im Ausland lebende Kinder steuerlich häufig nicht unproblematisch.

Wegzug in einen EU-/EWR-Staat

Aufgrund der europäischen Grundfreiheiten besteht bei EU-/EWR-Sachverhalten ein Diskriminierungsverbot. Ist der Wegzügler daher Staatsangehöriger eines EU-/EWR-Staates und erfolgt der Wegzug ebenfalls in einen EU-/EWR-Staat, so setzt das Finanzamt die durch die Wegzugsbesteuerung ausgelöste Einkommensteuer zwar fest. Die Steuer wird aber von Amts wegen zinslos und ohne Sicherheitsleistung gestundet. Die tatsächliche Steuerbelastung entsteht dann oft erst Jahre später, wenn die Stundung aufgrund eines bestimmten Widerrufstatbestands (z.B. tatsächliche Veräußerung der Anteile) widerrufen wird. Damit wird eine weitgehende Gleichbehandlung zum Steuerinländer erreicht.

Hinweis:

Auch für die bereits erwähnten Ersatztatbestände wird unter bestimmten Voraussetzungen eine Stundung gewährt.

Wegzug in einen Drittstaat

Sind die o.g. Bedingungen nicht erfüllt, beispielsweise weil der Wegzug in einen Drittstaat (z.B. USA) erfolgt, so kommt eine Stundung nur in Betracht, wenn die Einziehung der Steuer eine erhebliche Härte bedeuten würde oder ein späterer Rückumzug geplant ist. Die Stundung würde dann grundsätzlich nur für fünf Jahre (in Teilbeträgen) und nur auf Antrag gegen Zinsen und gegen Sicherheitsleistung gewährt.

Sonderfall Schweiz?

Aufgrund des Abkommens zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten und der Schweiz über die Freizügigkeit (FZA) nimmt die Schweiz unter den Drittstaaten einen Sonderstatus ein. Beispielsweise besteht auch hier ein Diskriminierungsverbot.

Nach einem kürzlich veröffentlichten Urteil des FG Baden-Württemberg kann die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu den europäischen Grundfreiheiten auf die im FZA normierten Freizügigkeitsrechte im Verhältnis zur Schweiz übertragen werden.

Dass Deutschland beim Wegzug in die Schweiz Steuern erhebe, entfalte nach Ansicht der Richter beim FG Baden-Württemberg „zumindest abschreckende Wirkung“ vor einem solchen Umzug. Dies behindere somit die Freizügigkeit im Verhältnis zur Schweiz. Die Wegzugsbesteuerung sei daher europarechtswidrig.

Das Verfahren liegt derzeit beim EuGH. Sollte der EuGH die Rechtsauffassung des FG Baden-Württembergs stützen, wären Wegzüge in die Schweiz aus steuerlicher Sicht in vielen Fällen deutlich weniger problematisch als bisher.