Aussetzungszinsen von monatlich0,5 % verfassungswidrig?

Hintergrund

Wird gegen einen Steuerbescheid Einspruch eingelegt, so hat dies grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Die Steuern müssen zunächst dennoch in festgesetzter Höhe entrichtet werden. Ist der Einspruch erfolgreich, erhält der Steuerpflichtige eine Erstattung.

Soll abweichend von diesem Grundsatz die Wirkung des Steuerbescheides aufgeschoben werden, so ist ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) zu stellen. Ergeben sich in einem summarischen Verfahren ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids, so ist dem Antrag stattzugeben. Die Steuern müssen dann (vorerst) nicht gezahlt werden.

Unterliegt der Steuerpflichtige im Hauptsacheverfahren schlussendlich (z.B. nach Einspruchsentscheidung), so wird die AdV aufgehoben und die dann (aus Sicht der Finanzverwaltung) nicht länger strittigen Steuern sind zu entrichten. Zusätzlich werden für die Dauer der AdV monatlich ca. 0,5 % (= 6 % p.a.) Zinsen fällig.

Sachverhalt

Im Streitfall hatte der Kläger Einspruch und später Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2012 eingelegt und AdV beantragt. Die AdV wurde gewährt.

Als die Klage endgültig abgewiesen worden war, forderte das Finanzamt die offenen Steuerbeträge ein und erhob Zinsen für die Dauer der AdV
(78 Monate) i.H.v. 0,5 % je Monat.

Hiergegen wehrte sich der Kläger erneut. Er bezweifelte, dass die Festsetzung von Aussetzungszinsen in der o.g. Höhe verfassungskonform sei.

Entscheidung des BFH

Der VIII. Senat des BFH pflichtete dem Kläger nun kürzlich bei. Auch er hielt den gesetzlichen Zinssatz i.H.v. 6 % p.a. für verfassungswidrig.

Jedenfalls in einer anhaltenden strukturellen Niedrigzinsphase seien 6 % Zinsen p.a. evident nicht mehr realitätsgerecht.

Der BFH legte den Fall nun dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Entscheidung vor.

Hinweis

Das BVerfG hat zwar bereits 2021 entschieden, dass die regulären Nachzahlungs- bzw. Erstattungszinsen i.H.v. 0,5 % pro Monat jedenfalls ab dem 01.01.2019 unzulässig seien. Hiermit ist über der Verfassungsmäßigkeit der AdV-Zinsen aber noch nichts gesagt. Das BVerfG muss sich nun erneut mit der Frage der Höhe verfassungskonformer Zinssätze beschäftigen.

Sämtliche Bescheide über AdV-Zinsen sollten mittels Einspruch angefochten und Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des BVerfG beantragt werden.